27.08.2021 • Verfasser: Maximilian Wensch
Nachdem wir vor einigen Monaten im Blog mit dem Expected Goals Ansatz eine Metrik zur Messung offensiver Performance kennen gelernt haben, geht es in diesem Beitrag um eine Kennzahl für die Defensive: Passes Allowed per Defensive Action, kurz PPDA.
Ziel dieser Metrik ist es, objektiv den Umfang und die Aggressivität von hohem Pressing von Teams zu quantifizieren. Dabei wird betrachtet, wie viele Pässe der Gegner durch-schnittlich spielt, bis das Team eine sogenannte defensive Aktion vollzieht. Das Sportanalyse Unternehmen Opta Sports, das für die Generierung der Daten verantwortlich ist, definiert vier Ereignisse als defensive Aktionen: Einen erfolgreichen Tackle, das Abfangen eines Balles, einen missglückten Tackle und ein Foul. Einzige Einschränkung bei der Berechnung des Wertes ist, dass nur gegnerische Pässe und defensive Aktionen ausserhalb des eigenen Drittels des Spielfeldes mit einbezogen werden. Defensive Aktionen innerhalb des eigenen Drittels werden nicht gewertet, da im eigenen Drittel kein Pressing stattfindet.
Mit folgender simpler Formel kann dann der PPDA-Wert berechnet werden:
Je geringer also der PPDA Wert eines Teams, desto weniger Pässe des Gegners wurden im Schnitt zugelassen bevor das Team versucht hat mit einer Defensivaktion einzugreifen. Teams mit einem geringeren PPDA haben also ein aggressiveres Pressing gegen den Ball. Ein Trainer, der für aggressives Gegenpressing bekannt ist, ist der aktuelle Trainer des FC Liverpool Jürgen Klopp. In seiner Zeit als Trainer beim BVB waren das Team für ihr herausragendes Gegenpressing bekannt. In einem Interview bezeichnete er zu seiner Dortmunder Zeit das Gegenpressing als „besten Spielmacher der Welt“. Und auch beim FC Liverpool merkt man Klopps Affinität zum aggressiven Pressing. In den letzten beiden Jahren hatte der FC Liverpool beide Male den zweitniedrigsten PPDA Wert mit 9,13 (20/21) und 8,01 (19/20). Lediglich Leicester City (19/20) und Leeds United (20/21) konnten geringere Werte vorweisen. In der Bundesliga sind die Bayern das Mass der Dinge. In den letzten 5 Spielzeiten befanden sie sich mit dem PPDA Wert in den Top 3 der Bundesliga. Dabei mussten sie sich lediglich Bayer Leverkusen in der Saison 19/20 und dem BVB und RB Leipzig in der Saison 17/18 geschlagen geben. Den passivsten Fussball in der letzten Bundesliga Saison hat Union Berlin gespielt. Mit einem PPDA Wert von 15,81 hatte Union Berlin den höchsten Wert aller 18 Bundesligisten.
Festzuhalten jedoch ist, dass die Metrik nicht die Qualität des Pressing eines Teams beschreibt, sondern vielmehr die Intensität. Die Metrik gibt also Auskunft darüber, wie aktiv oder passiv eine Mannschaft sich gegen den Ball verhält.
Vergleicht man den Zusammenhang zwischen durchschnittlicher PPDA Wert und erzielter Punkte in einer Saison ist jedoch eine Tendenz zu erkennen.
Die Abbildung zeigt die geholten Punkte auf der X-Achse im Vergleich zu den PPDA Werten auf der Y-Achse. Dargestellt sind alle Teams der europäischen Top-5-Ligen aus der vergangenen Saison. An der Tendenzlinie kann man erkennen dass mit zunehmender erreichter Punktzahl der PPDA Wert abnimmt. Das Resultat ist nicht gerade überraschend. Teams, die eine erfolgreiche Saison gespielt haben und viele Punkte holen konnten haben ein eher aggressiveres Pressing gegen den Ball gespielt.
Vergleicht man die Werte der Top-5-Ligen untereinander kommt man zu folgenden Durchschnittswerten der vergangenen Saison:
Die spanische LaLiga sticht mit einem durchschnittlichen PPDA Wert von lediglich 10,3 heraus. Das ist nicht sonderlich überraschend, denn die spanische LaLiga ist bekannt für eine hohe Intensität beim Pressing. Das hat sich unter anderem auch bei der EM in diesem Sommer gezeigt. Die spanische Nationalmannschaft hatte bei der diesjährigen EM mit einem PPDA Wert von 8,1 die mit Abstand höchste Intensität beim Pressing.
Wer das Deutschland Spiel gegen Ungarn und die restlichen Spiele dieser Gruppe geschaut hat, den dürfte folgendes nicht sonderlich überraschen: Ungarn hatte bei der EM mit grossem Abstand den höchsten PPDA Wert mit 25,9. Gegen Deutschland hatten die Ungarn gerade mal 30% Ballbesitz. Zu einem deutschen Sieg hat es, wie die meisten noch wissen werden, trotzdem nicht gereicht…
Dieses Spiel zeigt, dass der PPDA Wert keine direkten Rückschlüsse auf den Erfolg eines Teams zulässt, jedoch gibt der Wert Auskunft über die Spielkultur eines Vereines beziehungsweise einer Liga. Das kann zum Beispiel bei der Transfersuche eine Rolle spielen. Ein Stürmer, der oft und hoch presst, wird in einer Liga beziehungsweise einem Verein mit geringerem durchschnittlichen PPDA besser zur Geltung kommen.
Wie auch schon der Expected Goals Ansatz bietet der PPDA Ansatz eine objektive Metrik als Vergleichsbasis im Fussball. Gerade in der taktischen Vorbereitung kann der PPDA Wert des Gegners eingesetzt werden, um eine objektive Kennzahl über das Pressings des Gegners zu erhalten. Interessant ist vor allem, wie diese Metriken das Scoutingverhalten der Vereine beeinflussen: Das klassische Livescouting wird mittlerweile immer mehr durch sogenanntes Datenscouting unterstützt.
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Kurzer Nachtrag: Wie einige von euch sicherlich bereits mitbekommen haben, hat die portugiesische Primeira Liga die französische Ligue 1 im Top-5-Ranking der europäischen Ligen abgelöst. Wir beziehen uns in diesem Beitrag auf Daten und Werte aus der vergangenen Saison, dementsprechend zählen wir die Ligue 1 hier noch zu den Top-5-Ligen dazu.
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