21.04.2023 • Authorin: Josephine Bonsu
Viele Fußballfans können sich gut an das Jahr 2010 erinnern. Ganz besonders Fans der ghanaischen Nationalmannschaft. Es ist der 2. Juli 2010 - WM Viertelfinale - Ghana vs Uruguay. Handelfmeter in der 120. Minute, es steht 1:1, bis dahin eine recht ausgeglichene Partie. Suarez opfert sich für das Team, spielt den letzten Mann und fliegt als Konsequenz vom Platz. Asamoah Gyan schnappt sich den Ball, ghanaische Fans zelebrieren bereits voller Enthusiasmus mit Siegestänzen auf den Rängen. Ghana steht nicht nur kurz vor dem Einzug ins Halbfinale, sondern auch davor, WM Geschichte zu schreiben. Noch nie zuvor hat es eine afrikanische Mannschaft ins Halbfinale geschafft. Im Gegenzug haben die uruguayischen Anhänger ihre Vuvuzelas im Mund, sie pfeifen, das Stadion bebt. Der Druck lastet auf Asamoahs Schultern. Es bahnt sich an: Lattentreffer. Der Unparteiische hat bereits die Pfeife im Mund und es geht ins alles entscheidende Elfmeterschießen. Uruguay behält auch ohne Suarez die Nerven und zieht mit einem 4:2 n. E. ins Halbfinale ein. Doch wie kam es dazu, dass eine so sicher wirkende Ausgangssituation für Ghana am Ende so schlecht ausgeht? Kann man Spieler auf diese Bedingungen besser vorbereiten? Das und vieles mehr werden wir in diesem Blog diskutieren.
Was genau passiert in Drucksituationen wie dieser? Was fühlen wir dabei? Bei einer Drucksituation kommt es oft zu einer starken physiologischen Erregung, die sich unter anderem durch starkes Herzklopfen, beschleunigte Atmung, Schweißausbrüche, Zittern und/oder Unwohlsein bemerkbar macht. Grund dafür ist die Ausschüttung bestimmter Hormone, die die beschriebenen Reaktionen in Gang setzen. Physiologische Erregung ist an sich nichts Negatives. Es spiegelt wieder, dass uns etwas wichtig ist. Im WM Viertelfinale 2010 schien es allerdings so, als wären die uruguayischen Spieler besser an die zuvor erwähnten äußeren Bedingungen angepasst gewesen, sodass sie in der Lage waren, die Elfmeter souverän zu verwandeln. Dass Sportler in Drucksituationen scheitern, ist nichts spektakuläres. Es kommt oft dazu, dass sie in solchen Situationen die Fähigkeit verlieren, ihr Leistungsvermögen abzurufen (“choking under pressure"). Gedanken über die Konsequenzen vom Scheitern sind schwer zu unterdrücken. Es muss also gelingen, äußere Bedingungen so gut wie möglich auszublenden.
Die Fähigkeit, sich auf bestimmte Merkmale einer Aufgabe zu fokussieren und Reaktionen auf irrelevante Merkmale zu unterdrücken, nennt sich “selektive Aufmerksamkeit”. Fun Fact: Das Gehör ist in der Lage, bis zu 20 Signale in der Sekunde als einzelne Töne wahrzunehmen. Die Fähigkeit, die äußeren Einflüsse des Stadions auszublenden und den Fokus auf den bevorstehenden Elfmeter zu lenken, um ihn souverän zu verwandeln, ist nicht selbstverständlich. Die gute Nachricht: Selektive Aufmerksamkeit ist weder vererbbar noch angeboren, man kann sie trainieren.
Eines der wichtigsten Ziele von Trainern ist es, möglichst wenige Diskrepanzen zwischen der Trainingsleistung und der Wettbewerbsleistung ihrer Spieler herzustellen. Gibt es überhaupt die Möglichkeit, außerhalb des Wettbewerbs ähnliche Bedingungen zur Wettbewerbssituation zu schaffen? Die Tampa Bay Buccaneers zeigen uns wie: Einige Tage vor dem Superbowl LV haben sie mit Hilfe von großen Lautsprechern ihre Spieler während der Trainingseinheiten beschallt, um die Lautstärke von 25.000 Zuschauer im Stadion zu simulieren. Das Ziel war es, das Training so wettbewerbsnah wie möglich zu gestalten um sowohl Spieler als auch die Trainer auf diese Situation und darin auftretende Kommunikationsprobleme vorzubereiten. Das Resultat war der 31-9 Sieg über die Kansas City Chiefs. Die Bucaneers lieferten damit ein sehr gutes Exempel dafür, dass Wettkampfbedingungen (zumindest teilweise) simuliert werden können.
Auch Ellis und Ward lieferten mit ihrer Studie letzten Jahres wichtige Impulse, indem sie ein Hochdruck Protokoll nutzen, um die Elfmeterschützen in ihrem Experiment in spielähnliche Drucksituationen zu versetzen. Insgesamt umfasste das Protokoll sechs Stressoren, eines davon das Einspielen von Stadiongeräuschen über Kopfhörer. Die Experimentteilnehmer hatten Leistungseinbrüche beim Elfmeterschießen, fühlten sich abgelenkt und gaben an, einem erhöhten emotionalen Druck ausgesetzt zu sein. Daher empfehlen die Autoren, dass Trainer bei der Gestaltung ihrer Trainingsmethoden für Elfmeter-Situationen die psychologischen Auswirkungen von Druck und eingeschränkter Aufmerksamkeit berücksichtigen sollten. Auch scheint es sinnvoll weitere Methoden zu finden, um Trainingseinheiten so spielnah wie möglich zu gestalten. Denn Spieler erfolgreich auf solche Situationen vorzubereiten, könnte buchstäblich spielentscheidend sein.
Wie genau Sportler auf Drucksituationen wie Stadiongeräusche reagieren, ist eine Funktion der Persönlichkeit. Einige Athleten scheinen einfach die Fähigkeit zu haben, sich in diesen ängstlichen Momenten der Situation gewachsen zu fühlen.
Wie kann ein Spieler die negativen Auswirkungen des Lärms und des Drucks der Zuschauer bekämpfen? Performance Psychologe einiger NFL Teams Dr. Weigand (2013) regt seine Athleten an, die Auswirkungen des Publikumslärms für die Auswärtsmannschaft zu begrenzen. Einer der Schlüssel dazu ist das Üben unter diesen ablenkenden, störenden Bedingungen. In der Praxis können Teams wie auch die Bucaneers laute Geräusche einsetzen und dann Bewältigungsstrategien wie Handsignale, Snap-Counts und Spieltafeln entwickeln.
Neben der Vorbereitung auf den Umgang mit dem Lärm geht es aber auch um die psychologische Vorbereitung. "Wir versuchen, unser Team darauf vorzubereiten, auswärts zu spielen", sagt Dr. Weigand, "den Lärm der Zuschauer anzunehmen und ihn als Vorteil zu nutzen - so zu interpretieren, dass sie einen anfeuern und nicht gegen einen sind." Es muss also trainiert werden, den Lärm als etwas Erleichterndes zu interpretieren. Diese Art von mentaler Ausdauer ist natürlich nicht leicht zu erlernen, aber Training unter diesen Bedingungen bereitet Teams und Sportler besser darauf vor, mit einigen Spielsituationen umzugehen. "Machen Sie das Training so wettkampforientiert wie möglich, so dass der Wettbewerb so wettkampforientiert wie möglich ist", rät er.
Eine Studie von Pizzera et al. (2017) zeigte, dass das Einspielen von Tönen, die zur Modulation des Tempos bei HürdenläuferInnen dienten, zur kurz- und langfristigen Steigerung der Leistung und Technik führte. Auch durch das Einsetzen von Zuschauergeräuschen während des Trainings der Tampa Bay Buccaneers und des darauffolgenden Sieges im Super Bowls, lässt sich schlussfolgern, dass das Einsetzen von Sounds durchaus positive Auswirkungen auf die Leistung der Athleten mit sich tragen kann. Außerdem kann trainiert werden, wie man mit den Spielbedingungen, wie z.B. Stadiongeräuschen umgeht, indem sie im Training simuliert werden.
So what would have happened if Asamoah had already practiced the moment of the decisive penalty kick with a comparable acoustic setting during practice? We will never be able to answer this question. However, study and practical results show that athletes can be better prepared for such situations in the future. This is where we come into play with our live communication system for sports: With our technology, we want to optimize training by enabling the coaching team to play countless tones & sounds in addition to live communication. This way, competition situations can be simulated or training content can be better internalized (e.g. through a pressing clock). This allows players to better adapt to real game conditions and improve their performance in the long term. This feature will become available in an update after the first release. If you want to stay up-to-date on this topic, follow us on Facebook, Instagram, LinkedIn und YouTube.
Louise Ellis & Paul Ward (2022). The effect of a high-pressure protocol on penalty shooting performance, psychological, and psychophysiological response in professional football: A mixed methods study, Journal of Sports Sciences, 40:1, 3-15, DOI: 10.1080/02640414.2021.1957344
Pizzera, Alexandra & Hohmann, Tanja & Streese, Lukas & Habbig, Anja & Raab, Markus (2017). Long-term effects of acoustic reafference training (ART). European Journal of Sport Science. 17. 1-10. 10.1080/17461391.2017.1381767.
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